Nachtmusik
Vorwort
für drei Kontrabässe
Nachtmusik wurde im Auftrag der Kontrabass-Klasse an der Musikhochschule Trossingen (Leitung Prof. Fritz Maßmann) 1986 komponiert. Das viersätzige Werk kreist inhaltlich um einen Choral (‚Die Nacht ist kommen, drin wir ruhen sollen‘), um eine Stelle aus Schuberts Erlkönig (‚Mein Vater, mein Vater, jetzt fasst er mich an‘), um eine Mozart-Klaviersonate und um das Horst-Wessel-Lied, das Kampflied der braunen Horden.
Die Form von Nachtmusik ist geprägt dadurch, dass sich, ausgehend vom dissonant-geräuschhaften Musikstil Neuer Musik der 1970-er Jahre, zunehmend Tonales durchsetzt und am Ende des dritten Satzes ein Mozart-Zitat im erwähnten Kampflied endet, mit darauf folgendem Absturz und Zusammenbruch. Als Reaktion darauf vollzieht Nachtmusik wieder eine radikale Stilwende und kehrt zum stilistischen Ausgangspunkt des Anfangs zurück, nur noch dissonanter und geräuschhafter als zu Beginn. Der konventionelle Musikstil hatte seine Unschuld verloren, daher das Bemühen um neue Klänge und formale Verfahren, mit dieser Vergangenheit wollte man nichts mehr zu tun haben.
Aber Nachtmusik geht einen Schritt weiter. Durch Einführung von Polystilistik kann sie den Missbrauch großer Musik durch die Nazis hörbar machen, gibt dem Musikstil der Dissonanz und des Geräusches Legitimation und verhindert durch Gegenüberstellung und stilistische Durchdringung das Vergessen dieses Missbrauchs. Jeder einheitliche Musikstil tendiert dazu, gewohnt und dadurch gesellschaftlich missbraucht zu werden. Auch Polystilistik ist gefährdet, hat aber durch Stilvielfalt mehr Mittel in der Hand, sich dem Gewöhnlichen zu widersetzen. Gut komponiert, macht dieses Kompositionsverfahren jedenfalls Musik abwechslungsreich und vielleicht auch tief.
Stilistik Nachtmusik
Im Zentrum des viersätzigen Werkes steht ein längerer konventioneller tonaler Satz, umgeben von Sätzen, die von ausgefallenen und geräuschhaften Spieltechniken im Stil der 70-er Jahre des 20. Jahrhunderts heftigen Gebrauch machen. Eher geeignet als Expertenmusik, möglich aber auch für wagemutige Musiklaien, die sich in der deutschen Geschichte des 20. Jahrhunderts auskennen.